Freundschaft statt Dominanz

Es hält sich immer noch hartnäckig das Gerücht, dass man sein Pferd dominieren müsse, weil das in der Herde ja auch so ist. Die Leitstute und der Leithengst haben das Sagen, alle anderen müssen sich unterordnen. Die Verfechter dieser Theorie haben nur ein paar Kleinigkeiten übersehen:

Erstens geht es dabei nicht um Training, sondern um das Verteidigen von Ressourcen. Denn dafür ist die Dominanzbeziehung nützlich, das solche Dinge viel schneller geklärt sind. Ich möchte mich mit meinem Pferd aber nicht um Ressourcen streiten.

Zweitens geht die Leitstute vorne weg, weil sie diejenige ist, der es am wenigsten ausmacht alleine zu sein. Sie befiehlt nicht etwa den anderen hinterher zu kommen. Nein, die anderen Pferde gehen ihr nach, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass da, wo die Leitstute hingeht, wahrscheinlich das beste Gras wächst.

Und wer drittens mal einen Hengst in einer Stutenherde gesehen hat, wird wahrscheinlich festgestellt haben, dass der relativ wenig da zu sagen hat. Von wegen die Herde von hinten treiben! Das passiert nur in der kurzen Zeit der Rosse, wenn ein anderer Hengst ihm die Stuten wegnehmen könnte. Denn hier geht es um eine ihm wichtige Ressource.

Das Schöne ist, dass es in einer Pferdeherde noch andere Beziehungen gibt, z.B. noch Mutter-Kind-Bindungen und auch Freundschaften. Und ist es nicht die Freundschaft mit dem Pferd, nach der wir uns tief im Inneren sehnen?

Clickertraining macht Freundschaft möglich

An diesem Wochenende haben wir im Seminar sehr schön gesehen, wie schnell über das Clickertraining echte Freundschaft möglich ist. Wenn der Mensch wegkommt von seinem dominieren-wollen und sich einer echten Kommunikation öffnet, wenn er bereit ist auch mal das Pferd zu Wort kommen zu lassen, dann passieren spannende Dinge.

Unter Freunden ist es normal, dass mal der eine einen Vorschlag macht und mal der andere. Wir dürfen also auch die Pferde ruhig Vorschläge machen lassen und wir dürfen auf ihre Vorschläge eingehen, so wie es in einer guten Freundschaft üblich ist, selbst wenn wir vielleicht ein anderes Ziel hatten.

Gute Freunde sind aber auch die, die einem die Wahrheit sagen. Und das, was die Pferde ihren Menschen zu sagen haben, ist leider oft alles andere als angenehm. Wenn sie zeigen, dass sie es nicht gut finden geritten zu werden, weil das mit Schmerzen verbunden ist (was mit Sicherheit bei 8 von 10 Pferden der Fall ist), wird so manch einem Mensch die Augen geöffnet. Wenn sie zeigen, wie wenig Spaß sie an der gemeinsamen Arbeit haben und ihren Menschen einfach stehen lassen, erfordert es sehr viel persönliche Stärke des Menschen, dieser Tatsache ins Auge zu sehen und dann sein Verhalten zu ändern.

Clickertraining ist eben wirklich sehr wahrhaftig. Man kann nichts vertuschen, sondern wird immer wieder mit Tatsachen konfrontiert, die einem vielleicht zunächst nicht so angenehm sind, wenn die Pferde endlich mitreden können.

Das Gute daran ist aber, dass man mit dieser Wahrheit  eine echte, ehrliche Beziehung aufbauen kann, eine wahre Freundschaft eben. Endlich ist das möglich, wovon wir in unserem tiefsten Inneren immer geträumt haben: Das Pferd als wahren Freund, eine Verständigung, die ans Wunderbare grenzt: jeder errät die Gedanken des anderen und ist gerne bereit, ihm seine Wünsche zu erfüllen.

Dann gehen die Pferde zurück auf die Wiese mit einem leichten Bedauern: „Eigentlich schade, dass wir schon fertig sind. Es war schön mit dir.“

Wir müssen das Pferd nur Freund sein lassen und wegkommen von dem Gedanken, es dominieren zu wollen.

 

 

2 Kommentare
  1. Wie schön, wieder eine Seite, wo man endlich das Thema
    Dominanz gut erklärt, dass es gar nicht nötig ist zu dominieren!
    Schreibt jemand, der lange in der Dominanzschiene unterwegs war,
    und zum Glück die Augen geöffnet hat.

    • Danke, Susanne, irgendwann wird sich das hoffentlich so weit verbreitet haben, dass es den Pferden besser geht. Wir arbeiten daran. Und es gibt glücklicherweise immer mehr Menschen, die das auch tun.

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